10. Dezember 2024

ver.di-Tarifrunden 2023: Zeit für gemeinsamen Arbeitskampf

Die begonnene Tarifrunde bei der Deutschen Post bietet mehrere Möglichkeiten für die Gewerkschaft ver.di: Es bietet sich die Möglichkeit gemeinsamer Streiks bei der Deutschen Post und Amazon an, aber auch mit Solidaritätsstreiks in anderen Unternehmen wie DPD kann die berechtigte Tarifforderung von ver.di durchgesetzt werden. Zugleich ist dies auch die Chance, die ersten Weichen für eine künftige koordinierte gemeinsame Tarifpolitik bei der Post, bei Amazon und insgesamt aller Logistik- und Speditionsbereiche bis hin zur letzten Meile zu stellen.

Das Online-Geschäft brummt und boomt wie kaum eine andere Teilbranche! Große Gewinner sind dabei die sogenannten „Pure Player“ wie Amazon, Zalando & Co aber auch die Deutsche Post AG. „Weniger Lohn und mehr Nachtarbeit“, berichtete die Tagesschau am 14.12.2022 und fasste die Umsatzentwicklung zusammen: „Im ersten Corona-Jahr 2020 setzte die Branche knapp 54,4 Milliarden Euro um und verdoppelte damit den Nominalumsatz im Vergleich zu 2010 (27,5 Milliarden Euro).“ (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/paketzusteller-deutsche-post-lohn-nachtarbeit-101.html)

Das bestätigt die Deutsche Post DHL Group auf der eigenen Homepage: „Im Jahr 2021 erzielte der Konzern einen Umsatz von mehr als 81 Milliarden Euro.“ (www.dpdhl.com/de/ueber-uns/auf-einen-blick.html). Laut ver.di sieht es für das 2022 noch besser aus: „Im November hatte die Deutsche Post AG zuletzt gemeldet, dass der Konzern im Jahr 2022 auf das erfolgreichste Jahr in der Konzerngeschichte mit einem operativen Ergebnis von 8,4 Milliarden Euro zusteuert. Bereits im Vorjahr, 2021, hatte der Konzern ein Rekordergebnis von 8,0 Milliarden Euro erzielt.“ (www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++06f089d4-8dd8-11ed-af8c-001a4a160129 )

Jetzt sind die Beschäftigten dran: Für 15% mehr Gehalt

Doch bei den Beschäftigten kommt von diesen Umsätzen und den Konzerngewinnen wenig bis kaum etwas an. Und das nicht nur bei nicht-tarifgebundenen Konzernen wie Amazon oder Zalando. Auch bei der Deutschen Post profitieren die Paketzusteller*innen nicht vom boomenden Geschäft! „Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sind die Gehälter in der Post- und Paketbranche seit 2011 deutlich weniger angestiegen als in der Gesamtwirtschaft. Vergleichsweise oft arbeiteten die Beschäftigten auch nachts.“ (Tagesschau, 14.12.2022)

Doch es mangelt nicht nur bei der Entlohnung, auch die Arbeitsbedingungen lassen zu wünschen übrig. Sogenannte „atypische Beschäftigungsverhältnisse“ mit befristeten Arbeitsverträgen, mit Teilzeitverträgen, als geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, aber auch in Leih- und Zeitarbeit sind keine Seltenheit – auch bei der Deutschen Post! Denn fast ein Drittel (31%) der Hauptbeschäftigten im Bereich der Post-, Kurier- und Expressdienste fallen unter diesen „atypische Beschäftigungsverhältnisse“!

Deutsche Post: Gewerkschaftlich gut organisiert und trotzdem prekär?

Als Gewerkschaft ver.di sind wir bei der Deutschen Post gut organisiert und haben mit Betriebsräten bis hin zum Konzernbetriebsrat und Aufsichtsrat (AR), verhältnismäßig gute Strukturen. Im AR der Deutschen Post ist ver.di mit Hauptamtlichen, darunter mit einem Bundesvorstandsmitglied, vertreten. Wie passt das zusammen, fragt man sich angesichts dieser Berichterstattung und dieser Arbeitsbedingungen?

Umso mehr kommt es darauf an, die ver.di-Forderungen bei der Deutsche Post AG in der diesjährigen Tarifrunde durchzusetzen. Dabei fordert ver.di für die Beschäftigten der Deutschen Post 15% mehr Gehalt, 200 Euro mehr pro Monat für Azubis und Dualstudierende bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Doch bereits in der ersten Verhandlungsrunde am 6. Januar 2023 lehnte die Deutsche Post die ver.di-Forderung als „realitätsfern“ ab. Doch realitätsfern scheint der Post-Chef selber zu sein. Denn Post-Chef Frank Appel bekommt das 232-fache eines Post-Beschäftigten. Das hat eine IMU-Studie ergeben. Er erhielt im 2020 ein Jahresgehalt von 10,02 Millionen Euro.

Amazon

Die Finanzkraft von Amazon hat bereits jetzt gigantische Ausmaße. „Für 2021 meldete Amazon einen Gesamtumsatz in Höhe von 469,8 Milliarden US-Dollar. Das übersteigt das Bruttoinlandsprodukt von Staaten wie Österreich, Südafrika oder Chile. Der Nettogewinn wird mit 33,4 Milliarden Dollar angegeben. Trotzdem musste der Konzern in der EU keine Körperschaftssteuer zahlen – weil man bei einem Umsatz von 44 Milliarden Euro in Luxemburg einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro auswies.“ (www.heise.de/tp/features/Amazon-Staat-ohne-Grenzen-7352077.htm)

Gemeinsames Vorgehen notwendig

Amazon stellt nicht nur die Unternehmen im deutschen Handel (Einzel- und Versandhandel aber im Groß- und Außenhandel) vor einer großen Herausforderung. Der US-Onlineriese ist auch im Bereich der Spedition bis hin zur letzten Meile tätig und expandiert. Und die Grenzen der Branchen sind zunehmend fließend. So ist Amazon nicht nur im Online- und Versandhandel ein wesentlicher „Player“, sondern auch im Bereich der Logistik, der Handelslogistik, aber auch in der letzten Meile.

Es gibt mittlerweile auch enorme gewerkschaftliche und branchenpolitische Überschneidungen im Bereich der Logistik, Handelslogistik, Spedition, Handelsspedition, aber auch im Bereich der Logistik und Versand/Spedition des Online- und Versandhandels. Insbesondere bei der sogenannten „letzten Meile“ der Lieferung von Waren, gibt es in vielerlei Hinsicht Überschneidungen. Dabei treffen wir oftmals auch auf die gleichen Konzerne, darunter auf Amazon und die Deutsche Post. Sowohl in Bezug auf die ausgeübten Tätigkeiten, den Entwicklungen in den genannten Teilbranchen und Unternehmen, als auch in Bezug auf die Tarifarbeit und unsere Tarifpolitik ist eine engere und konkretere Zusammenarbeit in diesen Teilbranchen möglich, aber auch dringend nötig. (vgl. www.orhan-akman.de/2022/10/alle-logistik-und-speditionsbereiche-in-ver-di-in-einer-bundesprojektgruppe-zusammenfuehren/)

Höchste Zeit für gemeinsamen Arbeitskampf bei Amazon und Deutsche Post

Bereits 2019/2020 hat das „ver.di-Betreuungsteam Amazon“ (ver.di-Bundesfachgruppe Einzelhandel) den ver.di-Bundesvorstand mit einem Positions- und Strategiepapier aufgefordert, die Arbeitskämpfe bei der Deutschen Post und Amazon zusammen zu führen. Diese Initiative der Amazon-Aktiven aus den Streikbetrieben der Fulfillment-Centern fand leider kein Gehör, und so ließ man 2020 diese Chance bei der Tarifrunde der Deutschen Post außen vor.

Im Januar 2023 hat die Tarifrunde der Deutschen Post AG begonnen. Damit haben wir die Chance, das zusammenzuführen, was zusammengehört: Gemeinsamer Arbeitskampf bei der Deutschen Post und Amazon. Da Amazon nicht tarifgebunden ist und bisher Verhandlungen ablehnt, kann ver.di die Streiks bei Amazon an die Arbeitskampfplanungen der Deutschen Post orientieren und entsprechend für gemeinsame Streiktage und Streikzeitfenster (auch über mehrere Tage) planen und festlegen.

Von gemeinsamen Streiks würden sowohl Amazon- als auch Post-Beschäftigte profitieren. Es würde die Solidarität der Beschäftigten stärken und Schwung geben. Als ver.di können wir damit auch beide Konzerne ökonomisch wie politisch treffen.

Streiks bei Amazon sind zudem die notwendige richtige Antwort auf die Massenentlassungspläne des Onlinekonzerns. Denn Amazon will 18.000 Beschäftigte vor das Betriebstor zu setzten, auch hier in Europa.

Tarifrunden Handel ab Frühjahr 2023

In diesem Jahr finden außerdem die Tarifrunden in den Handelsbrachen statt. Bereits ab März geht es los. Aus den Erfahrungen der Tarifrunden 2021 im Handel wissen wir, dass es uns stärkt, wenn Handelsbeschäftigte (ob aus dem stationären Handel, aus Onlinehandel oder im Großhandel) zusammen mit Amazon-Beschäftigten gleichzeitig streiken. Diese Erfahrungen gilt es auch in dieser Handels-Tarifrunde mit Leben zu füllen und weiterzuentwickeln. Sollte bis dahin die Deutsche Post weigern, 15% mehr Gehalt zu zahlen, so kann man neben Handelsunternehmen und Amazon auch den Arbeitskampf der Deutschen Post-Kolleg*innen zusammenführen und verzahnen.