17. Juli 2024

ver.di-Bundesvorstand akzeptiert Urteil nicht

Orhan Akman, Kandidat für den ver.di-Bundesvorstand
Orhan Akman, Kandidat für den ver.di-Bundesvorstand

Die Auseinandersetzung vorm Kadi geht weiter – ver.di zieht vor das Landesarbeitsgericht!

Am 13. Dezember 2022 entschied das Berliner Arbeitsgericht, dass die von ver.di gegen mich ausgesprochenen fristlosen Kündigungen unwirksam sind. Das Gericht entschied zudem, dass ich bis zu einem rechtskräftigen Urteil weiter als Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel zu beschäftigten bin.

Nun könnte man meinen, dass der ver.di-Bundesvorstand das eindeutige Gerichtsurteil anerkennt. Fehlanzeige! Statt den Weg des Dialoges zu suchen und die notwendige Debatte um den richtigen Kurs aus der Krise zu öffnen, zieht der Vorstand vor das Landesarbeitsgericht. Es scheint als wolle der ver.di-Bundesvorstand den inhaltlichen gewerkschaftspolitischen Konflikt lieber mit arbeitsrechtlichen Mitteln fortsetzen.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg informierte mich zunächst darüber, dass „die
Beklagte (also ver.di) mit Schriftsatz vom 27.12.2022 zunächst Berufung eingelegt und (…) am
selben Tag ihre Berufung wieder zurückgenommen.“ hat. Damit wäre das Urteil in Bezug auf die Kündigungen rechtswirksam und ich dürfte wieder arbeiten.

Am 19. Januar 2023, dem letzten Tag der Berufungsfrist, hat ver.di jedoch erneut Berufung beim LAG eingelegt. In dem Schreiben der Anwaltskanzlei, die ver.di vertritt, wurde mir ein Prozessarbeitsverhältnis angeboten und weiterhin auf den arbeitgeberseitig angeordneten Abbau der Mehrarbeitsstunden gepocht.

Was bedeutet dies für mich?

Mit der Einlegung der Berufung werde ich bis zu den Konferenzen und bis zum Bundeskongress auf das
Abstellgleis geschoben. In der jetzigen Situation habe ich vor meiner Rückkehr in die Arbeit keine Möglichkeit mehr, meine Funktion als Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel auszuführen, und ich kann meine Arbeit mit den ehrenamtlichen Gremien und Kolleg*innen nicht fortsetzen. Auch ein direkter inhaltlicher Austausch, um u.a. für meine Kandidatur als Mitglied des Bundesvorstands zu werben. ist unter diesen Umständen nahezu unmöglich.

Anweisung zum Nicht-Arbeiten!

Nach dem klaren Urteil des Berliner Arbeitsgerichts vom 13. Dezember 2022 sowie der Einbringung meines bereits geplanten und genehmigten Jahresurlaubs wäre am 16. Januar 2023 mein erster regulärer Arbeitstag gewesen. Dazu fand am Morgen des 16. Januar ein Gespräch zwischen der Personalabteilung von ver.di und mir statt, an dem auch ein Betriebsratsmitglied meines Vertrauens anwesend war.

Im Gespräch habe ich mitgeteilt und dies mehrfach unterstrichen, dass ich meine Arbeitskraft anbiete und gerne wieder im Bundesfachbereich Handel arbeiten möchte. ver.di hat dies abgelehnt und versucht, mir einseitig den Abbau meiner Überstunden anzuordnen.

Der Betriebsrat meines Vertrauens hat mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass eine einseitige arbeitgeberveranlasste Anweisung zum Abbau von Mehrarbeitsstunden nicht geht und dies auch den ver.di-internen Regelungen und Betriebsvereinbarungen widerspricht. „Das diskutieren wir nicht“, wurde seitens der Personalabteilung mitgeteilt.

Ich habe vorgeschlagen, dass wir im Gespräch klären und dann schriftlich vereinbaren sollten, wie die Mehrarbeitsstunden sinnvoll abgebaut werden können, z.B. mit dem Modell einer „Vier-Tage-Woche“. Ver.di lehnte das ab. Es blieb mir nichts anderes übrig, als bei unserem Betriebsrat Beschwerde gem. § 85 BetrVG einzulegen und das Ganze rechtlich prüfen zu lassen. ​

Mein Gesprächsangebot gilt weiterhin

In dem Gespräch mit der Personalabteilung habe ich erneut betont, dass ich mit dem Vorsitzenden in den Dialog treten möchte, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Ebenso habe ich betont, dass ver.di die Ermahnungen zurückziehen möge, damit wir hierzu nicht ein weiteres Mal das Gericht bemühen müssen. Dazu äußerte sich ver.di aber nicht. Es liegt also in der Hand des Vorsitzenden und des Bundesvorstandes, im Gespräch und im Dialog nach Lösungen zu suchen.

Zur Erinnerung und Einordnung

Seit Dezember 2021 versucht der ver.di-Bundesvorstand den inhaltlich-politischen Konflikt um die Ausrichtung unserer Gewerkschaft sowie mögliche Wege aus der Krise von ver.di mit formalen und arbeitsrechtlichen Mitteln zu führen bzw. zu umgehen. Seitdem wurde

  • ich im Jahr 2022 zweimal schriftlich ungerechtfertigt ermahnt, u.a. wegen Autoritätsmissachtung
  • ich im Jahr 2022 zweifach gekündigt, davon eine sogenannte „Verdachtskündigung“. Eine dritte Kündigung musste ver.di aufgrund von Formfehlern bereits zurückziehen
  • ich von meiner Funktion als Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel abgesetzt, ohne dass der Bundesfachgruppenvorstand daran beteiligt wurde
  • meine Tarifvollmachten ohne Angabe von Gründen und ohne die Beteiligung der jeweiligen Bundestarifkommissionen widerrufen
  • ich mehr als ein Jahr aus meiner Gewerkschaft ausgegrenzt und durfte nicht arbeiten
  • mir angeordnet, keinen Kontakt zu den ehrenamtlichen Gremien wie Bundestarifkommission, aber auch zu den Medien zu haben
  • jegliche Gesprächsangebote von mir abgelehnt, den politischen Konflikt im Dialog und in Gesprächen zu lösen zu versuchen
  • mehrfach gerügt, weil ich mich nicht als „Kandidat für ver.di-Bundesvorstand“ bezeichnen dürfe
  • mir fünf Monate lang kein Cent Gehalt von ver.di überwiesen

All das, was noch so über mich in die Welt gesetzt wurde und wird, lasse ich hier mal weg.

Gegen diese Schikane vom ver.di-Bundesvorstand habe ich mich rechtlich, vor allem aber mit der Solidarität hunderter Kolleginnen und Kollegen gewehrt. Das Berliner Arbeitsgericht hat dann am 13. Dezember 2022 im Kammertermin entschieden, dass die Kündigungen nicht rechtmäßig und damit unwirksam sind. ver.di ist nun, wie oben beschrieben, in Berufung gegangen.

Ich werde mich weiterhin gegen diese ungerechtfertigten Schritte des Bundesvorstandes sowohl politisch als auch rechtlich zur Wehr setzen. Ich ziehe nicht zurück und kandidiere weiterhin für den Bundesvorstand.

Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich, die mich bisher in dieser Auseinandersetzung nicht alleine gelassen und ihre Solidarität kundgetan haben. ​