Unbequem, streitbar, zum Zuhören fähig, solidarisch und zielorientiert – so beschreiben viele aktive Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter bei Amazon, einem der gegenwärtig wichtigsten Streikunternehmen im Handel, ihren hauptamtlichen Kollegen Orhan Akman. Ähnliche Stimmen gibt es auch aus anderen großen Betrieben der Branche. Andere werfen ihm vor zu polarisieren.
Seit Februar 2019 bis zu seiner Suspendierung durch den ver.di-Bundesvorstand hat Orhan Akman die ver.di-Bundesfachgruppe für den Einzel- und Versandhandel geleitet und sich in dieser Funktion schnell einen Namen gefestigt, den er sich schon zuvor durch seine vielfältige Gewerkschaftsarbeit gemacht hatte. Auf der Unternehmerseite gilt er als ausgesprochen hartnäckiger Verhandler, wenn es um die Interessen der lohnabhängig Beschäftigten geht. So sind die Sanierungs- bzw. Zukunftstarifverträge für den Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof und die erfolgreichen Bemühungen zur Rettung vieler ursprünglich zur Schließung vorgesehener Standorte zu einem großen Teil auch seine Erfolge.
Seit einiger Zeit hat Orhan Akman starke Akzente darauf gesetzt, in Betrieben wie H&M oder Ikea zusammen mit den dortigen Bundestarifkommissionen erste Digitalisierungstarifverträge durchzusetzen. Auf diesem Weg sollen die Beschäftigten in die Gestaltung neuer technologischer Prozesse einbezogen werden – nicht zuletzt auch, um sie vor negativen Folgen zu schützen und gute, gesunde Arbeit auf die Tagesordnung zu setzen.
Als bequem galt der Gewerkschafter mit kurdischen Wurzeln, der seit 1987 in Deutschland lebt, in seinem bisherigen Arbeitsleben sicher nie. Gleich zu Beginn, mit 21 Jahren, legte sich Orhan Akman mit dem Fleischproduzenten Tönnies an, wo er als Sachbearbeiter in der Buchhaltung angestellt war. Als die Geschäftsführung mitbekam, dass er zusammen mit einigen anderen Kolleginnen und Kollegen einen Betriebsrat gründen wollte, wurde er prompt aus dem Unternehmen gedrängt.
Auf Empfehlung der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) absolvierte er danach die Akademie der Arbeit (AdA, heute Europäische Akademie der Arbeit, EAdA) in Frankfurt/Main und begann anschließend, zunächst als Verwaltungsangestellter bei der NGG zu arbeiten.
Ab 2002 sorgte Akman als ver.di-Gewerkschaftssekretär im Bezirk München-Rosenheim fast zwölf Jahre lang für die Gründung vieler neuer Betriebsräte – gerade auch in tariflosen Betrieben. In den Tarifrunden für den Einzelhandel mobilisierte er als regionaler Streikleiter zu großen Kundgebungen. Mit der spanischen Textilhandelskette Zara führte er in dieser Zeit für ver.di die Verhandlungen über die bundesweite Anerkennung der Flächentarifverträge, was 2014 gelang. Zwischen 2008 und 2014 war Akman außerdem Stadtrat in der bayerischen Landeshauptstadt München.
Erfahrung mit international tätigen Handelskonzernen hat Orhan Akman auch in Südamerika gesammelt, wo er im Auftrag der internationalen Dienstleistungsgewerkschaft UNI Global Union als Leiter eines Projektes zum Aufbau von Gewerkschaftsstrukturen tätig war. In Peru nahmen es ihm die dortigen Behörden übel, dass er Proteste und Streiks von Beschäftigten u.a. der Supermarkt-Kette Cencosud organiserte. Anfang 2016 warf ihm die Ausländerbehörde des Andenstaates vor, die öffentliche Ordnung und den sozialen Frieden gestört zu haben und verhängte ein Wiedereinreiseverbot. Nach vielfältigen nationalen und internationalen Protesten sahen sich die Verantwortlichen in Lima gezwungen, die Zwangsmaßnahme rückgängig zu machen.
In Berlin geht die Auseinandersetzung unterdessen weiter…