1. Mai 2024

Manager Magazin: Wie sich die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi selbst zerlegt

„Das Verhalten manches Spitzenfunktionärs und der Umgang mit den eigenen Leuten wirft kein gutes Bild auf uns“, sagt Orhan Akman (48). Akman leitete bis Februar die Bundesfachgruppe Einzel- und Versandhandel, inzwischen gehört er zu den schärfsten Kritikern der Organisation. Der Mann mit Pferdeschwanz nimmt in einem Café in Frankfurt am Main Platz. Es ist Anfang September. In wenigen Tagen beginnt der Bundeskongress, den er für einen Affront nutzen will. Akman tritt in einer Kampfkandidatur gegen Finanzchef Christoph Meister (57) an. Es ist nicht sein Fachgebiet, aber gegen seine eigentliche Konkurrentin Silke Zimmer lässt Verdi ihn mit Verweis auf die Frauenquote nicht ran. Duelle auf offener Bühne sind eigentlich ohnehin nicht vorgesehen.

Die rund tausend Delegierten, zumeist Spitzenfunktionäre aus den Landesorganisationen, sollen die im Vorfeld bestimmten Kandidaten möglichst reibungslos absegnen, die Zustimmungswerte liegen regelmäßig bei mehr als 90 Prozent. „Man überwindet keine Krisen, wenn man die Schuld immer anderswo sucht, bei der Politik, bei Konzernen oder ihren Verbänden. Unsere Krise ist größtenteils selbst verursacht“, sagt Akman. Er will die Verwaltung auf Bundes- und Landesebene verschlanken und vor Ort mehr Präsenz zeigen, an der Basis, in den Bezirken und Betrieben. Zudem sieht er programmatische Defizite: „Bei Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Automatisierung hat unsere Gewerkschaft inhaltlich oft noch massiven Nachholbedarf.“ Immerhin 24 Prozent der Delegierten sehen das offenbar ähnlich und gaben dem Rebellen ihr Votum.

Ein respektables Ergebnis, denn Akmans Kandidatur hat eine Vorgeschichte. Verdi hat dem Mitarbeiter gekündigt – mehrfach. Akman soll interne Informationen weitergeleitet und damit angeblich einige Fälle vermeintlicher Vetternwirtschaft öffentlich gemacht haben. Seither gilt er als Verräter. Er bestreitet das und wehrt sich vor dem Arbeitsgericht – bisher mit Erfolg. Werneke will sich dazu nicht äußern, der Fall ist für ihn mit dem Wahlergebnis beendet. Der Verdi-Boss betrachtet den Widersacher als politisch gescheitert.

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