Sehr geehrte Kollegin Yasmin Fahimi,
den Inhalt deines Facebook-Posts vom 13. Januar (www.facebook.com/yasmin.fahimi/photos/a.1387041201516532/3244297102457590/) kann ich nur sehr bedingt teilen. Ob gewollt oder ungewollt blendest du zentrale Probleme des Rentensystems aus der Sicht der Beschäftigten aus:
- Die Rentenformel, die da lautet „Monatliche Rentenhöhe = Entgeltpunkte x Zugangsfaktor x Aktueller Rentenwert x Rentenartfaktor“ (vgl. www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Allgemeine-Informationen/Wie-wird-meine-Rente-berechnet/wie-wird-meine-rente-berechnet_node.html) muss dringend geändert werden.
Dabei muss nach meinem Dafürhalten die Reproduktionsarbeit (sog. „soziale Tätigkeiten“ wie Haushalt, Erziehung der Kinder, Fürsorgearbeit für Eltern und Menschen mit Behinderung usw. – Stichwort Care-oder Sorgearbeit) mit einem deutlichen höheren Rentenpunktensystem bewertet werden. Diese Arbeiten, die unsere Gesellschaft aufrechterhalten und fortentwickeln, dürfen nicht zum Null-Tarif und/oder mit geringen Rentenpunkten in der Pension abgefrühstückt werden. Denn diese Tätigkeiten werden weitgehend von Frauen erledigt und im Alter haben die kleinen Renten in der Regel ein Geschlecht und das ist weiblich. Wie aus einer am Sonntag veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, bekommt in Deutschland jede dritte Frau nach 40 Jahren Vollzeitbeschäftigung weniger als 1.000 Euro Rente. (https://www.deutschlandfunk.de/anfrage-der-linken-jede-dritte-vollzeit-beschaeftigte-frau-erhaelt-weniger-als-1000-euro-rente-100.html?s=04) Es muss Schluss sein mit dieser strukturellen Benachteiligung unserer Kolleginnen.
- Meines Erachtens haben Unternehmen mehr in die Rentenkassen einzuzahlen als die Beschäftigten. Wir brauchen ein Rentensystem, in dem alle, u.a. auch Beamte oder Politiker*innen, einzahlen. Dazu reicht ein Blick zu unserem Nachbarland Österreich. Dort seien Selbstständige und Beamte sukzessive in die Rentenversicherung einbezogen worden, schreiben die Experten. Der Beitragssatz liege seit 1988 unverändert bei 22,8 Prozent, wobei die Arbeitgeber für 12,55 Prozent aufkommen, die Arbeitnehmer für 10,25 Prozent. Auf Grundlage dieser breiten Finanzierungsbasis seien die vergleichsweise hohen Leistungen möglich. (…) Während deutsche Männer, die 2016 in Rente gingen, monatlich im Schnitt mit 1008 Euro vor Steuern auskommen müssen, haben die Österreicher 1899 Euro zur Verfügung.“ ( www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-oesterreich-rente-nachhaltig-finanziert-4206.htm )
- Die Teilprivatisierung der Rente (Riester etc.) muss rückgängig gemacht werden. Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass niemand im Alter in Armut leben muss.
- Als DGB-Tarifgewerkschaften sind wir angehalten, höhere Löhne durchzusetzen. Dazu müssen wir kämpferische Tarifrunden bis hin zu Erzwingungsstreiks diskutieren und auch wagen.
- Neben der gesetzlichen Rente müssen wir per Tarifvertrag die betriebliche Altersvorsorge (bAV) als weitere Säule zu der gesetzlichen Rente tarifieren und stärken.
Und, verehrte Kollegin Yasmin Fahimi, niemand sollte lebenslang arbeiten, um dann im Grab in die Rente zu gehen. Also ist es höchste Eisenbahn, dass wir als DGB-Gewerkschaften unsere Forderung nach einem früheren Renteneintrittsalter fordern und dafür kämpfen. Rente mit 60 Jahren, das wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung,
Dein Kollege Orhan Akman