3. September 2025

Gewerkschaftsbürokratie: Ärzte von Schweigepflicht entbinden statt kritische Debatten führen!

Im Konflikt um den richtigen Kurs und Ausweg aus der Krise der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di greift der Bundesvorstand zu weiteren drastischen Maßnahmen gegen mich. Anstatt sich mit den Inhalten zu beschäftigen, unterbindet der ver.di-Bundesvorstand notwendige und kritische Debatten. Betroffen sind davon in erster Linie alle Gewerkschaftsmitglieder, weil damit ein Exempel statuiert werden soll. Wer offen Kritik am Kurs des Bundesvorstandes übt, muss mit der ganzen Härte der Gewerkschaftsbürokratie rechnen.

Nun werde ich aufgefordert, meine Ärzte von ihrer Schweigepflicht zu entbinden. Und weil ich das ablehne, hat ver.di die Entgeltfortzahlung an mich seit Juni 2025 eingestellt. Zuvor hatte ver.di schon im April und Mai einen wesentlichen Teil meines Entgeltes gekürzt, nachdem sie mich im April 2025 aufgefordert hatte, „Deine behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbinden“.

 

Entweder Ärzte von Schweigepflicht entbinden oder keine Entgeltfortzahlung!

Nachdem ver.di mit den bisherigen arbeitsrechtlichen Mitteln gegen mich weitgehend gescheitert ist, will man mich nun finanziell unter Druck setzen.

Schon Anfang April 2025 drohte mir die Personalleitung der ver.di-Bundesverwaltung damit, die Lohnfortzahlung einzustellen, weil ich nach ihrer Ansicht zu oft und zu lange krank sei. Sie unterstellten mir sogar, regelmäßig „passgenau“ vor und nach Urlauben zu erkranken. Als Beleg dafür, dass ich tatsächlich aufgrund unterschiedlicher Krankheiten nicht arbeitsfähig war, verlangt die Gewerkschaft von mir, die Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden.  Das lehne ich ab! Nachdem bereits im April und Mai ein wesentlicher Teil meines Entgeltes gekürzt wurde, hat ver.di seit Juni meine Gehaltszahlungen komplett eingestellt.

Wiederholte Schreiben und Nachweise mit detaillierten Darlegungen meines Anwalts, der Krankenkasse und des Arztes, dass die Vermutungen nicht zutreffend sind, reichten der ver.di-Personalabteilung nicht aus: „Die Information der Krankenkasse über die Zeiträume der Krankengeldleistung ist für die von uns geforderte Aufklärung weder ausreichend noch zielführend“, teilte die Personalabteilung meinem Anwalt im Juni mit.

Stattdessen beharrt ver.di auf der Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht – obwohl man selbst mit solchen Informationen gar nichts anfangen kann, wie ver.di selbst vor zwei Jahren in einem Flugblatt für die Primark-Kolleg*innen geschrieben hat: „Das BAG behauptet, dass nur durch die Offenlegung deiner Krankheitsgeschichte und deiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen dein Arbeitgeber prüfen kann, ob eine Fortsetzungserkrankung oder eine andere Erkrankung vorliegt. Diese Argumentation lässt außer Acht, dass der Arbeitgeber selbst anhand der vorgelegten Gesundheitsdaten nicht beurteilen kann, ob eine Fortsetzungserkrankung vorliegt oder nicht. Bei Primark können sich Manager vielleicht eine Meinung über Mode bilden, eine Beurteilung darüber, ob eine Fortsetzungserkrankung vorliegt oder nicht, bedarf aber sicherlich medizinischen Sachverstands.“

Über den Sachverstand unserer Personalabteilung möchte ich hier nicht weiter mutmaßen, eine medizinische Ausbildung wurde in den Stellenausschreibungen bisher allerdings nicht verlangt. Trotzdem verlangte die Personalabteilung in einem Schreiben an meinem Anwalt im Juli 2025: „Ihr Mandat muss für den gesamten maßgeblichen Zeitraum schildern, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen sich wie auf seine Arbeitsfähigkeit ausgewirkt haben und die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbinden. Die Angabe (zudem unvollständiger) Diagnoseziffern genügt hierfür ebenso wenig wie eine inhaltlich nicht aussagekräftige Bescheinigung des behandelnden Arztes.“

Meinen Rechtsanwalt hat das dazu bewogen, in einem seiner inzwischen vielen Antwortbriefe zu schreiben: „Auch das wiederholte Verlangen nach Entbindung der behandelnden Ärzte unseres Mandanten von der ärztlichen Schweigepflicht wirft die Frage auf, wie ernst es ver.di mit dem Einstehen für die Rechte von Arbeitnehmern nimmt, wenn sie bei den eigenen Arbeitnehmern dieselben Methoden anwendet, die sie anderen Arbeitgebern vorwirft. Dieses Gebaren trägt nicht unbedingt dazu bei, ver.di als attraktive Interessenvertretung erscheinen zu lassen. Es ist vielmehr geeignet, langjährige Mitglieder zum Nachdenken über die Sinnhaftigkeit ihrer Mitgliedsbeiträge zu bewegen…“

ver.di: Amazon, Primark & Co. scharf kritisieren, aber selbst die gleichen Methoden anwenden

Ich kann das Unverständnis meines Anwalts nachvollziehen. ver.di ist immer sehr engagiert, wenn es um den Schutz der Gesundheit der Beschäftigten und ihrer privaten Daten geht. In dem schon zitierten Flugblatt für die Primark-Kolleg*innen empörte sich unsere Gewerkschaft darüber, dass die Einzelhandelskette von Beschäftigten die Offenlegung ihrer Krankheitsgeschichte verlangte. Und vor zehn Jahren verlieh man dem Onlinehändler Amazon medienwirksam den „Big Brother Award“, weil der US-Konzern von den Beschäftigten die Bereitschaft verlangte, sich jederzeit von einem Arzt, den Amazon bestimmt, untersuchen zu lassen und den Arzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden. (https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++bce75296-e506-11e4-91f1-5254008a33df )

Diese Position ist richtig, auch wenn das Bundesarbeitsgericht 2023 in einem Urteil entschieden hat, dass länger als sechs Wochen erkrankte Beschäftigte nachweisen müssen, dass es sich um verschiedene Krankheiten handelt, wenn sie die Lohnfortzahlung in Anspruch nehmen – und dafür ggf. auch die Ärzt*innen von der Schweigepflicht entbinden müssen.  (https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/5-azr-93-22/)

Das ist die Grundlage, auf der die Gewerkschaft nun gegen mich vorgeht, wobei das BAG sich nicht zur Reichweite der Schweigepflichtentbindung positioniert hat (in der Kommentierung wird dazu vertreten, dass sich die Entbindung nur auf das Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung beziehen muss, nicht aber auf den Krankheitsbefund). Vielleicht sollte die Personalabteilung mal den Kommentar von ver.di B&B zu diesem BAG-Urteil lesen: „Stellt ein behandelnder Arzt fest, dass der*die Arbeitnehmer*in die dem Arbeitgeber geschuldete Arbeitsleistung krankheitsbedingt nicht verrichten kann, hat das einen hohen Beweiswert. Der Arbeitgeber muss in der Regel davon ausgehen, dass die*der Beschäftigte tatsächlich gesundheitlich so eingeschränkt ist, dass sie*er ihre*seine Arbeit nicht leisten kann. Er muss auf die Arbeitsleistung verzichten und das Arbeitsentgelt weiterzahlen. Nach dem Gesetz sechs Wochen lang. In vielen Tarifverträgen ist sogar festgelegt, dass er das Entgelt deutlich länger weiterzahlen muss. Eines der vielen Argumente für starke Gewerkschaften!“

Soweit, so richtig. Warum aber vergisst ver.di mal wieder die eigene Position, wenn es um Beschäftigte des eigenen Hauses geht? Ist ein Rachefeldzug gegen mich wichtiger als die Glaubwürdigkeit des eigenen Eintretens für die Rechte der Beschäftigten?

Angesichts der Sturheit der Personalabteilung sind wir gezwungen, meine ausstehenden Gehaltszahlungen vor Gericht einzuklagen.

Aktueller Nachtrag:


Nach einigem Zögern gewährt mir ver.di nun doch Rechtsschutz auch für den Klageweg zur Durchsetzung meiner Ansprüche auf Zahlung des Gehalts. Dazu beigetragen hat unser Gesamtbetriebsrat, wofür ich dessen Mitgliedern herzlich danken möchte. Leider bedeutet diese Entscheidung noch kein Umdenken, auch im August wurde mir die Gehaltszahlung durch ver.di verweigert.


Rechtschutz zusagen, aber Gehalt verweigern...
Rechtsschutz zusagen, aber Gehalt verweigern…


Starke Mitgliedsgewerkschaften statt allmächtiger Bürokratie

Wie lange will ver.di dieses Trauerspiel noch fortsetzen und zehntausende Euro an Mitgliedsbeiträgen für sinnlose Auseinanderansetzungen verschwenden?

Dringend notwendig sind gerade jetzt kritische und offene Debatten, wie wir unsere Gewerkschaft wieder stärken können.

Das bisherige Vorgehen des Bundesvorstandes ist nicht nur zu Lasten meiner Gesundheit, es ist auch schädlich für die Organisation insgesamt.

Das Vorgehen und die Härte der Gewerkschaftsbürokratie gegen Kritiker*innen

Hier nun ein kleiner „Exkurs“ und Rückblick, um das Vorgehen des Bundesvorstehendes einzuordnen:

Kurz nach meiner Ankündigung im Frühjahr 2022, für den Bundesvorstand zu kandidieren, hatte mich der Bundesvorstand mit massiven arbeitsrechtlichen Maßnahmen überzogen.  Neben mehreren Kündigungen (darunter auch eine Verdachtskündigung!) wurde ich mehrfach er- und abgemahnt, von der Funktion als Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel entbunden, meine zehn Tarifvollmachten von heute auf morgen und ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Tarifkommissionen widerrufen, mein Büro während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens ausgeräumt, mein Diensthandy und E-Mailaccount zeitweise und ohne vorherige Information blockiert u.v.m.

Natürlich habe ich mich juristisch dagegen gewehrt, und die Gerichte kassierten die wesentlichen willkürlichen Maßnahmen gegen mich ein. Nachdem ver.di mich deshalb weiterbeschäftigten musste, hat mich unsere Gewerkschaft im Frühjahr 2023 in eine völlig andere Abteilung der Bundesverwaltung versetzt. Diese Zwangs- und Strafversetzung in den Bereich „Recht und Rechtspolitik“ fand gegen meinen Willen und gegen den Widerspruch unseres Betriebsrates statt. Denn es ist natürlich kein Geheimnis, dass ich kein Jurist bin und mir auf dieser Stelle Aufgaben und Tätigkeiten zugewiesen werden, für die ich nicht qualifiziert bin. Damit erhöht ver.di bewusst den Druck auf mich, wohlwissend, dass dies zu Lasten meiner Gesundheit geht.

Gegen diese erste Versetzung musste ver.di die Einigungsstelle anrufen und scheiterte mit der Versetzung. Daraufhin versetzte mich die Personalabteilung mit einer geänderten Stellenausschreibung erneut auf die gleiche Stelle. Nachdem unser Betriebsrat auch dem begründet widersprochen hatte, zog ver.di vor das Arbeitsgericht, um die fehlende Zustimmung des Betriebsrates gerichtlich ersetzen zu lassen. Das Verfahren wird aktuell vor dem Landesarbeitsgericht ausgetragen.

Seit Dezember 2021 versucht der ver.di-Bundesvorstand also, die von mir geforderte inhaltlich-politische Auseinandersetzung um die Ausrichtung unserer Gewerkschaft sowie mögliche Wege aus der Krise von ver.di mit formalen und arbeitsrechtlichen Mitteln zu verhindern bzw. zu umgehen. Ich wurde

  • im Jahr 2022 zweimal schriftlich ungerechtfertigt ermahnt, u.a. wegen „Autoritätsmissachtung“
  • im Jahr 2022 zweifach gekündigt, davon eine sogenannte „Verdachtskündigung“. Beide Kündigungen wurden von den Gerichten kassiert. Eine dritte Kündigung musste ver.di aufgrund von Formfehlern selbst zurückziehen.
  • von meiner Funktion als ver.di-Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel abgesetzt, ohne dass der Bundesfachgruppenvorstand daran beteiligt wurde
  • mehr als ein Jahr aus meiner Gewerkschaft ausgegrenzt und durfte nicht arbeiten
  • angewiesen, keinen Kontakt zu den ehrenamtlichen Gremien wie Bundestarifkommissionen oder zu den Medien zu haben
  • mehrfach gerügt, weil ich mich als „Kandidat für ver.di-Bundesvorstand“ bezeichnet habe (was ich ja definitiv war)
  • in ein anderes Ressort versetzt, und zwar gegen den Beschluss des Betriebsrates und gegen meinen Willen
  • Ende April 2023 zunächst von der Arbeit freigestellt, nachdem die Einigungsstelle die fehlende Zustimmung des Betriebsrates nicht ersetzte und damit die Versetzung für unwirksam erklärt hatte
  • anschließend auf die gleiche Stelle erneut versetzt, nachdem man die Stellenausschreibung passend umgeschrieben hatte
  • viermal abgemahnt

Darüber hinaus wurden

  • Vorschläge und Maßnahmen, die aufgrund der von mir initiierten drei BEM-Gespräche (Betriebliches Eingliederungsmanagement) vereinbart wurden, seitens ver.di ignoriert. Das BEM-Team protokollierte wiederholt, dass die Versetzung geprägt ist von krankmachender Isolation, Überforderung und Unterforderung
  • meine Gesprächsangebote abgelehnt, den politischen Konflikt im Dialog zu lösen
  • mir schon 2022 fünf Monate lang kein Cent Gehalt von ver.di überwiesen

(vgl. u.a. www.orhan-akman.de/2023/06/wochenend-post-von-ver-di-abmahnung-wegen-kritik-an-ver-di-tarifabschluessen/ )