In den letzten zwei Dekaden haben die bürgerlichen Parteien und die Lobbyisten der Kapitalisten den Menschen in Deutschland vorgegaukelt, dass die öffentliche Hand, sprich der Staat, knapp bei Kasse sei. Deshalb, so die Herrschaften, müsse man den Haushalt der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel einer „schwarzen Null“ wirtschaften. Eine „schwarze Null“ zu Lasten der notwendigen öffentlichen Ausgaben für Infrastruktur, für Krankenhäuser, für Schulen und Kitas, für Schwimmbäder, für Heime, für Bildung und Forschung, für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, gegen Armut und für Sozialen u.v.m.
Schon als die Finanzkrise mit all ihren Folgen 2007/208 in Deutschland ankam, wurde die „Schwarze Null“ über Bord geworfen. Die Regierung unter Angela Merkel spannte einen hunderte Milliarden Euro schweren „Rettungsschirm“ für Banken auf, die sich verzockt hatten. Die „öffentliche Hand“, sprich alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, mussten mit ihren Abgaben für einige wenige Banker bürgen, die sich im „Casino-Kapitalismus“ verzockten hatten.
Die „Schwarze Null“ mündete dann in der „Schuldenbremse“. Trotzdem wurde unter der Regierung von Olaf Scholz im Jahr 2022 „plötzlich“ ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro aus dem Hut gezaubert, obwohl zuvor die „Schuldenbremse“ die gesamte Debatte um den öffentlichen Staatshaushalt bestimmt hatte. Die Begründung für diese 100 Milliarden war: „Deutschland braucht eine gut ausgestattete Bundeswehr, um den sicherheitspolitischen Herausforderungen gewachsen zu sein. Bundestag und Bundesrat haben dem Sondervermögen zugestimmt.“ (vgl. www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/sondervermoegen-bundeswehr-2047518). Einige Zeit später sprach SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius offen von der Notwendigkeit, „kriegstüchtig“ zu werden.
„Whatever it takes“ sagte schließlich Friedrich Merz und schmiss von heute auf morgen die „schwarze Null“ und die „Schuldenbremse“ über Bord. In dieser Woche haben die bürgerlichen Parteien, im Bundesrat unter Beteiligung von „Die Linke“, mit einer Grundgesetzänderung ein 1000-Milliarden-Finanzpaket (sprich: eine Billion!) beschlossen. Damit soll vor allem die Bundeswehr aufgerüstet werden, Waffen und Militärausrüstung gekauft werden. Laut diesem „Paket“ ist die „Schuldenbremse“ für Ausgaben, die für die „Verteidigung“ des Landes nötig sind, nunmehr praktisch ausgehebelt.
Unterm Strich: Weder die „schwarze Null“, noch die „Schuldenbremse“ waren je notwendig. Der Staat muss für seinen öffentlichen Auftrag und für ein besseres und würdiges Leben der Bürgerinnen und Bürger Schulden aufnehmen können, ja sogar müssen. Aber wir brauchen keine milliardenschweren Schulden, um Banker zu retten und/oder in eine unsinnige und gefährliche Aufrüstung des Landes zu stecken, von dem nur die Waffenindustrie und ihre Handlanger profitieren!
Auch von den 500 Milliarden Euro, die medienwirksam für die Modernisierung der Infrastruktur bereitgestellt werden, dürfte das meiste für Autobahnen, Straßen, Brücken und ggf. Flughäfen ausgegeben werden, damit der deutsche „Leopard“ wieder Richtung Osten rollen kann. Ich vermute stark, dass für die Schulen, von deren maroden Bauten momentan so viel die Rede ist, kaum etwas übrig bleiben wird.
Auch deshalb lehne ich als Gewerkschaftsmitglied dieses Finanzpaket für Krieg und Aufrüstung ab!
Der DGB und die Einzelgewerkschaften dagegen feiern das Finanzpaket und machen das Spiel der Kapitalisten mit. Das ist aus meiner Sicht ein völliger Irrweg und widerspricht unseren gewerkschaftlichen Zielen. Was ist aus dem einstigen Slogan „Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter“ geworden!? Wie schnell hat der DGB die Geschichte vergessen, in der Deutschland an zwei Weltkriegen beteiligt war und diese maßgeblich verursacht hat? Wenn man für viel Zynismus und Sarkasmus offen wäre, könnte man denken, dass hier nach dem Motto „Alle guten Dinge sind drei“ agiert wird.
DGB, IG Metall und auch ver.di loben das beschlossene Schuldenpaket samt der unbegrenzten Militärausgaben. Sie haben in Sachen Frieden ihren Kompass verloren und wären gut beraten, mal wieder die eigenen Satzungen ernsthaft zu lesen und sich daran zu halten. Als Gewerkschaften sind wir den Interessen der lohnabhängig Beschäftigten, sprich der Arbeiterklasse, verpflichtet. Und, wie es mein Freund Cangüder Adnan formuliert: „Ein Kampf ohne Klassenkampf ist nicht unser Kampf“. (Sınıf mücadelesinin olmadığı hiç bir kawga bizim değildir.).